Zum Schluss waren Sie „Regionalleiter Ost“. In welcher Funktion wurden Sie 1990 eingestellt?
1990 hatte ich die Firma Insituform Brochier (je 1/3 Anteilseigner das süddeutsche Spezialbauunternehmen Brochier, die britische Insituform und der dänische Baukonzern Per Aarsleff) kennenlernen dürfen, damals in der Funktion als Bauleiter am Standort Troisdorf in der Nähe von Köln. Eine Zeit, in der ich noch viel, das Schlauchlinerverfahren betreffend, lernten musste. Im gesamten Unternehmen gab es weniger als 2 Hände voll Ingenieure, die das Verfahren mehr oder weniger kannten.
Wie sind Sie mit dieser nicht vorhandenen Erfahrung klargekommen?
Zum einen habe ich die Technologie von den (damals oft dänische Crews) Kollegen auf der Baustelle gelernt. Die Baustellenorganisation als solche hat mich damals im Alter von 37 Jahren und fast 8 Jahren Bauüberwachung im Ausland (Ukraine, Afrika und Syrien) sicher nicht überfordert. Aber für die sogenannten „kleinen“ Kniffe bei der Abwicklung der Linerbaustellen konnte ich voll auf 2 dänische Kollegen bauen.
Zum einen hatten wir als technischen Geschäftsführer Jens Lysbaeck und als Chef der dänischen Schlauchfabrik Svend Eric Jensen. Ich sehe das heute noch als Privileg, dass ich Jens und Svend Eric kennenlernen durfte. Ersterer war ein als Mensch und auch als Chef besonderes Vorbild, Svend Eric konnte ich, wenn es erforderlich war, auch mitten in der Nacht anrufen (wenn der Liner nicht „lief“). Er war mir all die Jahre ein enger und immer hilfsbereiter Freund und Ratgeber bei schwierigen technischen Projekten (mehrere Elbdüker DN 2000 und Liner unter schwierigsten Einbaubedingungen) gewesen.
Sie waren über 33 Jahre im Unternehmen und dass von Anfang an: Was zeichnet für Sie Aarsleff aus?
In all den Jahren habe ich stets das Bestreben gespürt, dass wir ein gutes Team sind, unabhängig davon wo der eine oder andere seinen Platz auf der „Karriereleiter“ hat.
Wenn Sie zurückdenken, an welche Ereignisse erinnern Sie sich besonders gerne?
Eigentlich gibt es da unzählige, schöne Situationen, ich glaube, dass ich stolz auf die Kollegen unserer Ostniederlassung an den drei Standorten Ilmenau, Dresden und Teltow sein kann. Die meisten hatte ich als Absolventen von der Uni eingestellt (beispielsweise meinen Stellvertreter und nunmehrigen Nachfolger Matthias Reimann von der Weimarer Uni). Unser Anspruch war es immer den dänischen Spirit zu leben, unaufgeregtes Problemlösen und Hochachtung gegenüber unserer Kundschaft und das bei gleichzeitigem selbstbewussten, aber auch bescheidenen Auftreten.
Der Betrieb hat sich von einem kleinen Team zu einem mittelständischen Unternehmen entwickelt. Was unterscheidet Ihre Arbeit in den letzten Jahren zu den Anfängen?
Naja, eigentlich nicht so sehr viel, vielleicht die Tatsache, dass man heutzutage für jedes „Wehwehchen“ einen separaten Ansprechpartner im Unternehmen hat, spezielle IT-Fragen, Transport-Fragen, Nachhaltigkeit, Harzanalysen, Statik usw., die Liste könnte man beliebig weiterführen! Eine Sache, die mir persönlich sehr am Herzen lag, ist die Thematik der Compliance-gerechten Vergabe. Hier war es in wenigen Fällen schon sinnvoll, diese Sache näher zu beleuchten. Dabei hat mir zweifelsohne auch meine Mitarbeit in der nationalen AG „Vergaberecht“ im Rahmen meiner Mitgliedschaft bei der NGO „Transparency International“ geholfen.
Was waren aus Ihrer Sicht die einschneidendsten Veränderungen, für das Unternehmen, aber auch für die Branche?
Möglicherweise die zum Teil in der Branche bei Einführung des Glasliners neben dem Filzliner aufgekommenen aus fachlicher Sicht nicht so gelungenen Diskussionen in der Branche. Aarsleff war davon weniger betroffen, da wir als eine von wenigen Firmen beide Systeme im Portfolio haben. Da die Mehrzahl der deutschen Linerformen nur eine Technologie anbieten, war teilweise eine sehr spezielle „Marktbearbeitung“ anzutreffen, die damals sehr verwunderte.
Zum Glück ist die Normung in den letzten Jahren unter qualifizierter Mitarbeit der DIN, der ATV, der DIB und weiteren Organisationen so weit fortgeschritten, dass Diskussionen (was ist besser, Glas oder Synthesefaser) nunmehr der Vergangenheit angehören, da es eigentlich nur wenige Ausnahmefälle gibt, wo nur das eine oder das andere Verfahren das bessere ist. Bei 95 % aller Baustellen geht beides.
In den vielen Jahren hat sich bestimmt auch die eine oder andere lustige Geschichte zugetragen. Fällt Ihnen dazu spontan etwas ein?
Vielleicht die eine Story, Anfang der 90ger, Baustelle RWTH Aachen, die Liner waren von mir aufgemessen, die Schächte tief und wenn ich mich recht erinnere, DN 800 oder so ähnlich. Ich kam mit meiner Crew auf die Baustelle, alle standen gut im Futter, keiner konnte runter den Liner ansetzen. Das blieb dann am „Laien“ Detlef Mähler hängen, der dann angeseilt runtergelassen wurde. Leider musste ich dann meinen PKW auf der Baustelle stehen lassen, da meine Brille vom Aachener Kanalsystem verschlungen war.
Wenn Sie ein Kollege fragen würde, warum Sie über Jahrzehnte in der gleichen Firma tätig waren – was wären die drei wichtigsten Beweggründe?
Ich glaube doch sagen zu können, Aarsleff ist eine außergewöhnliche Firma im Sinne von Qualität, Fairness und Anstand. Ich kann natürlich nur in erster Linie von meinem Bereich (Ostsee bis Bayern und Dresden bis ins hessische Fulda) reden, aber eines zeichnete diesen Bereich aus – nahezu keine Fluktuation.
Wo sehen Sie Aarsleff in 5 Jahren? Und wo die Branche?
Ich mache mir da keine Sorgen, das Aarsleff-Team hat schon manche Hürden gemeistert und ist trotzdem über 3 Jahrzehnte profitabel gewachsen. Im Rahmen immer wichtigerer Themen der Nachhaltigkeit, Sanierung der kaputten Kanäle, sparsame Mittelverwendung und Ressourcenschonung beim Bauen.
Was machen Sie jetzt – als Rentner – mit der vielen freien Zeit?
Da muss ich mir keine Sorgen machen: Zum einen ist das Leben in Berlin doch recht vielseitig. Zum anderen besuche ich öfter meine 4 Enkel, die in der Oberpfalz und Prag leben. Außerdem habe ich mir ein soziales Projekt gesucht: ich unterrichte einmal wöchentlich junge Migranten in Deutsch. Wenn das Leben es mit einem gut gemeint hat – so wie bei mir – sollte man auch was zurückgeben, finde ich.
Achso, in einer der letzten Ausgaben der FAZ habe ich ein Sportressort in Thailand entdeckt, da geht es bald hin, wenn das Wetter hier noch kälter wird.