Grund hierfür war eine im Oktober von Aarsleff in Augsburg durchgeführte Schlauchlinersanierung. Auf einer Länge von rund 104 Metern haben wir einen Synthesefaserliner erfolgreich in den über einhundert Jahre alten Ortbetonkanal mit Maulprofil DN1500/2000 eingebracht. Mit der Planung und Ausschreibung der Baumaßnahme hatte die Stadtentwässerung Augsburg im Vorfeld die ingutis Ingenieurgesellschaft für Umwelttechnik und Infrastruktur mbH, München, beauftragt, die seit 2020 zu STEIN Ingenieure GmbH gehören.
36 Tonnen für gut 104 Meter
Als der LKW am frühen Morgen mit dem gut 36 Tonnen schweren, durch Eis gekühlten Synthesefaserliner in der Müllerstraße eintraf, begann die Sanierung eines von insgesamt vier Abschnitten des Mischwasserkanals mit dem Synthesefaser-Schlauchlining-Verfahren. Während ein vorgelagerter Abschnitt durch manuelle Arbeiten repariert werden konnte, musste der Kanal aus Gründen der Betriebssicherheit und der erforderlichen Dichtheit auf einer Länge von insgesamt 535 m durch das Einbringen von Schlauchlinern renoviert werden.
Bei dem zu sanierenden Mischwasserkanal, der verschiedene Undichtigkeiten sowie Quer- und Längsrisse aufwies, handelt es sich um einen der wichtigsten Kanäle der Universitätsstadt, über den große Teile des Abwassers aus den südlichen Stadtvierteln sowie aus dem gesamten Altstadtzentrum abgeleitet werden. Der Mischwasserkanal wurde um 1911 in Ortbetonbauweise errichtet und weist einen Maulquerschnitt mit geklinkertem Sohlgerinne und einer geometrischen Besonderheit auf: „Bei dem Querschnitt handelt es sich um das sogenannte Augsburger-Stützlinienprofil“, erklärt Dipl.-Ing. Klaus Diesenbacher, Sachgebietsleiter bei der Stadtentwässerung Augsburg. „Das heißt, der Kanal hat einen relativ spitzen Scheitel und fast eine Knickkante in den Kämpferbereichen beim Übergang zwischen Sohle und Gewölbeteil.“ Weiter erschwerend für die Durchführung der Baumaßnahme kam hinzu, dass sich der Kanal im Bereich einer zweispurigen von Nord nach Süd verlaufenden Hauptverkehrsstraße befindet. Die notwendigen Montagebaugruben wurden lagemäßig so festgelegt, dass zum einen die Kanalachse möglichst nahe am Fahrbahnrand lag und zum anderen die Gruben für den Einbau der Synthesefaserliner in beide Richtungen verwendet werden konnte. Nur so konnte der Begegnungsverkehr sichergestellt und der Verkehrsfluss während der Baumaßnahme aufrechterhalten werden.
Abwasserlenkung durch Pumpkraft
Augsburg ist bekannt für sein weit verzweigtes künstliches Bach- und Fließwassersystem und den relativ hohen Grundwasserstand. Seit 2019 wird die historische Wasserwirtschaft der Stadt Augsburg als herausragendes Zeugnis der Geschichte der Wassernutzung offiziell als UNESCO-Welterbe geführt. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Grundwassersituation der bayerischen Metropole als eine in der Planung und Bauausführung besonders zu berücksichtigende hydrologische Rahmenbedingung. Gerade in den Bereichen der zu errichtenden Montagegruben waren daher Pumpensümpfe vorzusehen, um das anfallende Grundwasser im Bedarfsfall abzupumpen. Eine weitere Herausforderung bestand in den beträchtlichen Abwassermengen, die während der Sanierungsmaßnahme zur Aufrechterhaltung der Abwasservorflut umzupumpen waren.
„Bei einem Starkregenereignis hätten insgesamt bis zu 3.000 l/s Mischwasser anfallen können“, erläutert Diesenbacher die Problematik. Daher entschied man sich, einen Großteil des Abwassers zur Entlastung der Abflusssituation über einen Absperrschieber in einem vorgelagerten Schachtbauwerk auf eine andere Abwasserschiene umzuleiten. „Für rund 400 l/s stand eine Pumpstation mit drei Pumpen zur Verfügung, um das anfallende Abwasser über eine oberirdisch verlegte Rohrleitung DN 400 in einen parallel verlaufenden Hauptsammler abzupumpen. Eine vierte Pumpe diente der Sicherheit, falls eine der anderen Pumpen ausgefallen wäre“, ergänzt Dipl.-Ing. (FH) Thomas Moritz, Bauleiter bei der Stadtentwässerung Augsburg. So war für kleinere bis mittlere Regenereignisse sichergestellt, dass die betroffenen Abschnitte für die Sanierung abwasserfrei blieben. Darüber hinaus wurden die Wetterberichte und die Wasserstände im oberhalb befindlichen Kanalnetz vorsichtshalber ständig überwacht, sodass der Linereinbau des jeweiligen Bauabschnittes bei ungünstigen Wetterprognosen auf einen späteren Zeitraum verschoben werden konnten. Dabei war allerdings zu beachten, dass Liner mit 35 mm Stärke und einer Länge von ca. 150 m nur sieben Tage ab der Tränkung einbaubar sind.
Innen wird zu außen
Bevor der Synthesefaserliner über den Inversionsturm mit Hilfe von Wasser in den Kanal inversiert werden konnte, galt es zunächst Abflusshindernisse zu entfernen, größere Wassereintrittsstellen abzudichten und den Kanal zu reinigen. „Damit das Harz, mit dem der Synthesefaserliner getränkt war, nicht mit Grundwasser in Kontakt kommen konnte, haben wir vorher einen Preliner durch Luftdruck in den Abschnitt eingeblasen“, so Dipl.-Ing. (FH) Jens Bechmann, Bauleiter von Aarsleff. Dieser zweischichtige PE-PP-Folienschlauch schützte den Liner zudem vor Beschädigungen während der Inversion. Wegen der außergewöhnlich großen Dimension des Liners wurde direkt vom LKW über ein leistungsstarkes Förderband zum Inversionsturm und von dort aus in den Kanal inversiert „Man kann sich diesen Vorgang wie das Umstülpen einer Socke vorstellen“, so Bechmann. „An einem Ring am Turm haben wir das eine Ende des Liners zunächst umgestülpt und jede einzelne der insgesamt sieben Linerschichten fest verbunden“, so Bechmann weiter. Durch kontinuierliches Einfüllen von Wasser in die so entstandene Krempe wird der Synthesefaserliner - inklusive der am Ende montierten Heizschläuche - langsam durch den hydrostatischen Druck um- und dabei in den Kanal hineingestülpt. Über die Heizschläuche wird dann das in großen Heizanlagen erwärmte Wasser gezielt in den Kanalabschnitt gegeben, sodass dieses dort zirkulieren kann. Über Temperaturfühler an diversen Stellen wird der Härteprozess laufend kontrolliert und protokolliert.
Qualität in Eigenfertigung
Der von Aarsleff in eigener Produktion hergestellte Synthesefaserliner wurde vier Tage vor dem Einbringen werkseitig mit abwasserbeständigem, warmhärtendem Polyester-Harz imprägniert. Als Schlauchträger dient eine mit einseitiger Kunststoffbeschichtung gefertigte korrosionsbeständige Synthesefaser. „Die Konfektionierung des Liners erfolgte anhand des Maulprofilumfangs über einen berechneten Ersatzkreisquerschnitt“, so Dipl.-Ing. Jan Wozniak, Stein Ingenieure. Da die Härtungsreaktion durch Wärme ausgelöst wird, ist es nötig, den Liner vor dem Einbau vor Wärme zu schützen und in Eis verpackt auf die Baustelle zu transportieren.
Die Inversion des Liners war am frühen Nachmittag abgeschlossen. Direkt im Anschluss begann der Härtevorgang durch die Erwärmung des Wassers. Der gesamte Prozess der Aushärtung lief über dreieinhalb Tage. „Die Dauer wird dabei immer durch die Wandstärke, Länge und den Querschnitt des jeweiligen Synthesefaserliners bestimmt“, so Bechmann. Und er fügt hinzu: „Aufgrund der besonderen Geometrie des Stützlinienprofils und der statischen Linerwanddicke von 35 mm, war bereits im Vorfeld allen Beteiligten bewusst, dass sich der Liner nicht vollständig bis in die Scheitelspitze hineindrücken wird.“ In Abstimmung zwischen allen Projektbeteiligten wurde daher beschlossen, nach der Fertigstellung der üblichen Sanierungsarbeiten vorhandene Hohlräume in der Scheitelspitze, im Kämpferbereich und teilweise im Gewölbeteil mittels hochfließfähigem Dämmer lageweise in vier Lagen von innen zu verpressen. „Für die Durchführung der Arbeiten wurde großes Augenmerk darauf gelegt, dass die in der dafür vorgelegten Rohrstatik maximal zulässigen Dämmerdruckhöhen eingehalten wurden, um übermäßige statische Belastungen von außen auf den Liner zu vermeiden“, so Diesenbacher. Bei einem Punkt sind sich alle Beteiligten einig: Liner in diesen Dimensionen und gerade auch bei dieser herausfordernden Geometrie sind etwas Besonderes und alles andere als alltäglich. Das Synthesefaser-Schlauchlining-Verfahren ist auch das einzige, welches einen Dimensionsbereich von DN 100 bis DN 2200 abdeckt. „Wir waren sehr zufrieden mit der Planung, dem Einbau des Liners und auch mit der Durchführung der Sanierungsarbeiten“, so Diesenbacher. Und Moritz ergänzt: „Das gesamte Team vor Ort hat sehr gute Arbeit geleistet. Auch die zusätzlichen erschwerenden Randbedingungen, wie beispielsweise das Grundwasser, die Aufrechterhaltung der Abwasservorflut sowie die Verkehrsführung rund um die Baustelle, konnten wir gemeinsam gut lösen.“